Über Pflaumen im Kühlschrank, müde Männer in der U-Bahn und TikTok-Action
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Wie sehr ich mich schon an die neuen Umstände der Pandemie gewöhnt habe, zeigt sich für mich exemplarisch auch daran, wie schwer es mittlerweile ist, mich mit Maskenwitzen hinter der Plexiglasscheibe hervorzuholen. Dieses Video, in dem ein Museumsangestellter den Personen auf den Gemälden Masken gibt (obligatorischer Van Gogh Witz ist natürlich auch enthalten), hat aber zumindest schöne visuelle Effekte.
Mittlerweile wird auf Twitter lieber weiter darüber geredet / gestritten, welcher Begriff für den Impfstoff passt und ob das für kurze Zeit memetisch verwendete Wort “Impfe” nervig ist oder nicht.
1.
In der letzten Woche wurde ein TikTok-Video viral geteilt, das besonders schön zeigt, dass der Defaultmodus von Kreativität in den sozialen Medien, ob sie sich in Text oder Bild äußert, kollektiv ist. Natürlich entstand Kunst auch vor dem Internet nicht in einem Vakuum, lange Regalmeter mit Werken zur Intertextualitätstheorie oder Einflussforschung weisen das ziemlich eindeutig nach. Der Unterschied zur gemeinschaftlichen Produktion in den sozialen Medien liegt vermutlich einerseits in der Geschwindigkeit, mit der dort gemeinsam Kunst produziert wird, und andererseit in der kategorischen Notwendigkeit des starken aufeinander Bezugnehmens für die Kunst, die in den sozialen Medien entsteht.
Merkmale der einzelnen Plattformen können das kollektive Produzieren bestärken, dazu gehört beispielsweise das Duet-Feature auf TikTok, wie es bereits bei den Wellerman-Clips deutlich sichtbar wurde. Diese Funktion liegt auch dem aktuell viral geteilten Video zu Grunde, bei dem als Ausgang der Clip eines Mannes (@marcus.dipaola) dient, der mit gepresster Stimme seine neue Freundin vorstellt, die auf seinem Schoß sitzt. Die Situation wirkt merkwürdig gezwungen und inspirierte deswegen zahlreiche Menschen dazu, mit der Duet-Funktion aus dem initialen Video die Geschichte einer Geiselnahme zu machen, zu der immer neue Perspektiven hinzugefügt wurden. Polizisten, Nachrichtensprecher, Krisenpsychologen, das Video verzweigt sich immer weiter, weil mehr und mehr Menschen sich an dem Werk beteiligten und ihren eigenen Beitrag hinzufügten.
2.
Die New York Post teilte ein Bild aus dem neuen Martin Scorsese Film “Killers of the Flower Moon” mit der absurden Behauptung, dass Leonardo DiCaprio darin nicht wiederzuerkennen wäre. Das Internet hatte daraufhin sehr viel Freude mit dem angeblich nicht wiedererkennbaren DiCaprio.
3.
In den letzten Newslettern habe ich immer mal wieder über Politik-Memes geschrieben, über #LaschetDenktNach, über Daddy Söder, den Sand-Konsum von Laschet und über Philipp Amthor als Meme. Entscheidend für politische Memes ist, dass diese sich nur sehr schwer als Bestandteil der Parteienkommunikation einsetzen lassen, weil sie anarchisch sind, unkontrolliert entstehen und sich nicht einhegen lassen. Dennoch werden Memes natürlich politisch wirksam und spielen seit Jahren eine Rolle im Wahlkampf und für den Erfolg populistischer Bewegungen. Das bedeutet die Parteien erkennen (selbst in Deutschland), dass hier evtl. ein durchschlagkräftiges Mittel vorliegt, um in den sozialen Medien Sichtbarkeit zu erlangen. Leider ist jedoch die politische Kommunikation in Deutschland noch nicht fortgeschritten genug, um dieses Feld subtil und gut zu bespielen. Stattdessen sehen wir Phänomene, wie den neuen Instagram-Account (connectcdu) der CDU.
Der Account widmet sich dem Versuch Memes zu bauen (und wurde schon in der FAZ kommentiert). Das ist alles ziemlich unangenehm, was vermutlich daran liegt, dass keines dieser Bilder ein wirkliches Meme ist. Stattdessen wurde einfach nur das Image Macro Format aus Bild + Text genommen, um sich möglichst modern und zeitgemäß zu geben, ohne jedoch wirklich zu verstehen, wie Memes in der politischen Kommunikation funktionieren. Die bloße Kombination von harmlosen Bildern, die eben keine entlarvende Funktion haben oder anderweitig Inhalte kommunizieren, mit kleingeschriebenen Sätzen reicht nicht aus. Interessanterweise wurde übrigens das “Amthor-Meme” des CDU-Accounts, das in dem FAZ-Beitrag noch zitiert wurde, sehr rasch wieder entfernt.
Am Meme-Account der CDU sieht man, wie schwierig es ist, Bilder der eigenen Politiker kontrolliert zum Material für Memes zu machen. Um gezielt ein Meme zu verursachen, müsste man ein gut geeignetes Bild, wie Habeck alleine in der U-Bahn oder Bernie mit den Handschuhen, streuen und eben auch zulassen, dass nicht alle Verwendungen des Memes affirmativ sein werden. Memes lassen sich nämlich auch ausgesprochen gut für gezielte Angriffe auf den politischen Gegner benutzen.
Ein solch kritisches Meme gab es in der letzten Woche nach dem TV-Auftritt des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, der bei einem Fernsehauftritt sehr linkisch von einem Zettel ablas, was sich immer gut für Memes eignet. (Erinnert sich noch jemand daran, wie Kollegah beim Echo 2018 von einem Zettel vorlas und daraufhin zum Meme wurde?)
4.
Der Twitter-Account @OnePerfectShot teilt perfekte Frames aus Filmen und man kann, wenn man sich diese Bilder regelmäßig anschaut, einiges über Bildaufbau lernen. Man kann sich aber auch einfach freuen, dass einem regelmäßig interessante Bilder in die Timeline fliegen. Der perfekte Shot aus Inside Llewyn Davis passt übrigens perfekt zu einem Politiker-Foto, das zu einem Meme wurde:
Den Glücksmoment dieser Woche liefert dieses Video, aus dem sich die Frage ergibt, ob man eher das Schaf oder die Katze sein möchte. Dieser Tweet zeigt, wie es aussehen könnte, wenn eine Zecke versucht Menschen in ihr Habitat zu ködern. Dieser lange Thread von @EthicsInBricks mit verschiedenen Lego-Variationen zum Trolley Problem ist ziemlich lustig.
Hier ist ein sehr guter Tweet mit einer Bildanspielung auf das Gedicht “This Is Just To Say”von William Carlos Williams, das vermutlich – neben all den Kafka-Tweets – eines der erfolgreichsten Literaturmemes ist. (Über Literaturmemes habe ich übrigens hier einen längeren Beitrag geschrieben.)
Zum Abschluss empfehle ich euch, für einen garantiert optimistisch-fröhlichen Start in die Woche, diesen Tweet und seine unzähligen Replies, in denen von freundlichen Menschen erzählt wird, die Unbekannten aus der Klemme helfen.
Habt ganz herzlichen Dank für all die vielen netten Rückmeldungen, Hinweise auf spannende Phänomene und Anregungen in der vergangenen Woche! Sollte der Newsletter in eurem Spamfilter hängen bleiben, dann hilft es den Absender zu eurem Adressbuch hinzuzufügen. Wenn euch der Newsletter gefällt, freue ich mich weiterhin sehr über Weiterempfehlungen. Ihr findet mich auf Twitter und auf Instagram.