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Über Würgefeigen, Abendbrot und die Albatross-Bar
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Der in den sozialen Medien viel beachtete Johanny Depp / Amber Heard Gerichtsprozess ist zu seinem Ende gekommen. Im Kontext dieses Verfahrens gab es eine Welle an Online-Misogynie, die mich sehr an GamerGate erinnert hat. Der sich entladende Hass wird leider sicher auch als Rekrutierungssprungbrett für radikale menschenfeindliche Bewegungen verwendet werden.
In dieser Woche gab es einen interessanten Twitter-Thread von der sowieso sehr empfehlenswerten @thecommiemommy, in dem sie sehr kenntnisreich und anhand von Bildbeispielen Christian Lindners Berührungen mit Schönheitsoperationen aufschlüsselt. Auf den Thread hat der Finanzminister mit einer DM-Nachricht reagiert, die einen wirklich beispielhaften Streisand-Effekt ausgelöst hat. Hier gab es dann auch noch einen Folgethread zum Thema “Unterlidstraffung” und Wikipedia-Bilder.
1.
Man kann nun online ein wenig mit der Text zu Bild AI “Dall-E” spielen und zwar mit Dalle-E mini (hier gibt es ein sehr gutes Video zur Erklärung dieser neuen Technologien). Der Prompt – das heißt der Eingabeinput – für die im oberen Bild generierten neuen Bilder war übrigens. “Whimsical Propaganda for Hair Extensions.”
Die Timelines füllen sich gerade rasant mit den generierten Minibildern. Ich fand besonders die Bilder in diesem sehr langen Thread lustig und hier gibt es auch noch mehr anzusehen. Sehr erfreut haben mich außerdem die Bilder zum Prompt “Soviet propaganda posters of people riding segways” von @StoicalSophist.
Es sind großartige Zeiten für absurde und surrealistische Poesie (und wahrscheinlich werden wir in maximal zwei Tagen die Nase voll von dieser Neun-Bilder-Ästhetik haben.) Bei all der super unterhaltsamen Spielerei mit aburden Prompts, darf man – wie immer – auch nicht vergessen, dass diese AIs mit Datensätzen trainiert werden, die alle in unserer Gesellschaft vorhandenen Diskriminierungsstrukturen reproduzieren.
2.
Es waren, wie momentan so oft, in weiten Teilen recht unerfreuliche Social Media Tage, aber zumindest haben viele Menschen Ablenkung darin gefunden, sich darüber zu streiten oder zu erheben, dass in Schweden angeblich Gäste nicht zum Essen eingeladen werden. Das Ganze hat auf Reddit begonnen und sich dann schnell auch auf Twitter fortgesetzt.
Zusätzliche Dynamik gewann das Thema “Essen und Gastfreundschaft in Nordeuropa” durch diese sich viral verbreitende Infografik, die initial auf Instagram geteilt wurde:
Es gab einige Erklärungsversuche und auch Kritik zum Thema, außerdem sehr viele lustige Kommentare, einige Memes und eine nationale Diskussion in Schweden.
Für mich stellt sich aktuell vor allem die Meta-Frage, was eine solche Infografikisierung des Diskurses bedeutet: Diese Karten, in denen bestimmten Nationen ein zentrales Merkmal zugewiesen wird, essentialisieren Nationen zu einer definitiven Identität, als gäbe es keinerlei Migration und keine unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften in den Ländern selbst.
3.
In diesem Newsletter schreibe ich ja immer mal wieder über Google Reviews als Ort überraschender Komik oder Poesie. Dieses Mal geht es um die “Albatross Bar” in Edinburgh of the Seven Seas. Die Bar liegt in der zentralen Siedlung auf der Vulkaninsel Tristan da Cunha, einer der am meisten abgelegenen Inseln der Welt. Um sie zu besuchen muss man einige Tage per Schiff anreisen und die nächste Stadt ist mehrere tausend Kilometer entfernt. Dennoch hat die Albatross Bar aktuell 493 Google Reviews, in denen Menschen in einer spielerischen Dynamik immer neue Rezensionen des abgelegenen Ortes hinterlassen – abgelegene Vulkaninseln scheinen einfach die kollektive Fantasie anzuregen.
4.
Vor einigen Tagen habe ich über die Jahrtausendwendenästhetik von Websites nachgedacht – unter diesem Link kann man sich einen perfekten Eindruck verschaffen, wie das damals aussah. Allen, die sich allgemeiner für die Geocities Ästhetik aus der Frühphase des Internets interessieren, empfehle ich außerdem das “One Terabyte of Kilobyte Age” Projekt, das einen Datenberg alter Geocities-Websites auswertet, der 2009 archiviert wurde – es gibt auch einen zugehörigen Tumblr-Blog.
Erinnert sich noch jemand an die automatisch abgespielten Midi-Sounds aus dieser Zeit im Internets? Das Archive Team hat 2009 auch eine Sammlung mit diesen Midi-Files angelegt, die wundervoll nach den frühen Jahren des Internets klingen. Super Midi-Dateien zum direkten Abspielen und vielleicht auch weiterverwenden, gibt es hier.
5.
Der Account @tinydotblot teilt jeden Tag einen automatisch generierten Punktefleck, in dem sich mal mehr oder mal weniger genau Bilder erkennen lassen. Weil das Spaß macht, einen kurzen Timeline-Momente innezuhalten und über das Bild zu rätseln, empfehle ich euch den Bot sehr.
In eigener Sache:
(Ich füge hin und wieder diesen kleinen Absatz hinzu, um auf meine aktuelle Arbeit zu verweisen.)
Hier habe ich in einem Twitter-Thread versucht DALL·E mini Bilder zu meinem Gedicht “Die Erwendigkeit der Würgefeige” generieren zu lassen – aber schaut selbst!
Das neue Kursbuch mit meiner Islandtief-Kolumne ist erschienen. Ich habe über das Aussterben der Riesenalke geschrieben, die fieberhafte Jagd auf die letzten Vögel im 19. Jahrhundert und was die Ersteigerung eines ausgestopften Exemplars in den 1970er Jahren für die isländische Unabhängigkeit bedeutet hat. Außerdem geht es um Webcams auf Vogelfelsen, um Riesenalke und Basstölpel und darum "wie ein längst ausgestorbener Vogel auf Island auf gegenwärtige weltumspannende Markt- und Virenzirkulation verweisen kann." – Den Text gibt es übrigens auch als kleines eBook im Online-Buchhandel.
Hier ist ein sehr lustiger Tweet mit einer Liste aller denkbaren Romanplots und hier ein interessanter Thread mit poetischen Prompts für eine Bildgenerierung durch Midjourney. Außerdem wolltet ihr sicher wissen, wie man eine 3D-Leiter-Illusion zeichnet und das wird in diesem Video gezeigt.
Mit diesem sehr schönen Videoclip von auf der Waschmaschine tanzenden Waschmitteln (es gibt auch eine Slipknot-Version) wünsche ich euch einen wäsche- und hausarbeitsfreien Sonntag. Ihr findet ihr mich in der nächsten Zeit – wie immer – auf Twitter, Instagram oder TikTok.