Über Retro-Memes, Salzstreuer und Kostümfilme
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Ich sitze zwischen gepackten Kisten, die darauf warten in drei Wochen im Container zu verschwinden, um dann von Cuxhaven nach Reykjavík verschifft zu werden. Eine Woche später, wird meine Familie auf die Fähre in Hirtshals steigen und nach der mehrtägigen Überfahrt werden wir ungefähr zeitgleich mit unserem Container in Island ankommen. Aber keine Sorge, dieser Newsletter wird nun nicht zu einem Island-Umzug-Reisebericht mutieren. Doch da die nächsten Wochen sehr ereignisreich für mich sein werden, wird dieser Newsletter eine kleine Sommerpause einlegen und erst nach fünf Sonntagen, genauer gesagt am 8. August, wieder beginnen.
Damit ihr diesen Newsletter am Sonntag nicht zu sehr vermisst, habe ich einen Sommerpausennewsletter vorbereitet, den ich euch am 18. Juli schicken werde und in dem es um Themen geht, die in den letzten 37 (wow) Newslettern keinen Platz gefunden haben.
Ich hoffe, dass ihr einen großartigen Sommer verlebt, mit immer ausreichend Sonnencreme in der Badetasche, Erdbeeren, die nicht matschig werden und warmen Abendstunden mit lieben Menschen.
1.
In der letzten Woche wurde ein Tweet viral verbreitet, der einen Screenshot aus dem Charlie Chaplin Film “Pay day” teilt, der sich optisch stark an das “Distracted Boyfriend Meme” anlehnt, ein Stockphoto aus einer Bilderdatenbank, das ab 2017 weit geteilt wurde:
Sehr früh wurde ein dem Meme ähnlicher Bildaufbau in vielen anderen Bildern entdeckt, unter anderem in einem Gemälde aus dem 18. Jahrhundert und schon 2018 wurde auf Twitter auf die Ähnlichkeit des Memes mit dem Filmstill aus dem Charlie Chaplin Film hingewiesen, damals noch in nicht gespiegelter Version, wie im Tweet der letzten Woche. Unter dem viralen Tweet finden sich zahlreiche weitere Hinweise auf Bilder mit einer ähnlichen Bildverteilung, von ägyptischen Zeichnungen, zu Felsmalereien zu einer historischen Fotografie.
Auch in anderen Filmen lässt sich die spezifische Bildaufteilung (drei Menschen, Person A lässt sich durch Person B von Person C ablenken) finden, beispielsweise bei Truffaut:
All diese Memes gehören zum Genre “Object-Labeling”, bei dem Bilder mit Wörtern oder anderen Bildern gelabelt werden, eine Meme-Variante die seit ca. 2017 sehr populär ist und ihren Aufstieg zeitgleich mit dem Distracted Boyfriend Meme begann. Die soziale Beziehung, die im weitesten Sinne auf den Bildern dargestellt wird, ist entscheidend für die funktionsweise der Memes, deren Labels metaphorisch eingesetzt werden.
“This seems like a stretch, maybe because what it doesn’t acknowledge about the way we object-label now is that it’s really all about how the objects relate to each other. It’s the metaphor that makes each iteration feel fresh. How a jilted girlfriend feels about her boyfriend with the wandering eyes is exactly how X feels about Y—that’s what’s surprising and then satisfying.” (Heather Schwedel: “The Distracted Boyfriend Was Onto Something. We are now living in a golden age of “object labeling” memes.” In: Slate, 22.3.2018)
Wenn die soziale Beziehung, die durch das Bild prägnant illustriert wird, entscheidend ist, dann kann jedes neue Bild, das eine analoge Konstellation darstellt, sich auf den abrufbaren Intertext des initialen Memes beziehen. Es wird dann nicht nur die soziale Beziehung des neuen Bildes abgerufen, sondern auch die des ursprünglichen Memes.
Dieser Fokus auf bildlich dargestellte Beziehungsdynamiken bei sehr erfolgreichen Memes trifft auch auf Bild-Text-Memes zu, die nicht zum Genre “Object Labeling” gehören. Ein gutes Beispiel dafür gab es im Kontext der aktuell laufenden EM, bei der ein Bild zum Meme wurde, das sich deutlich auf ein anderes Meme bezog:
Die strukturellen Ähnlichkeiten der im Bild festgehaltenen sozialen Beziehungen mit dem Milk Edinburgh Meme sind offensichtlich:
2.
Im Kontext der EM habe ich immer wieder und in verschiedenen Sprachen Varianten dieses Meme-Formats gesehen, das ich zumindest kurz erwähnen wollte:
3.
Der Account @Brands_Owned teilt via Screenshots Kommunikationsversuche von Unternehmen in den sozialen Medien, die auf glorreiche Weise scheitern und zeigt in anderen Tweets mit Gegenüberstellungen von Bildern die Heuchelei von Unternehmen auf.
Hier kann man einem Mann dabei zusehen, wie er sich sehr ausführlich Gedanken über die Salz- und Pfefferstreuer macht, die ihm seine Freundin geschenkt hat. Hier ist eine Website, der man regelmäßig Nachrichten schicken muss, damit sie sich nicht selbst zerstört.
“Jedem Abfuck wohnt ein Zauber inner” schreibt @GabrielBerlin und hat damit vielleicht den besten Hesse-Tweet produziert, den ich bis jetzt gesehen habe.
Dieser Tweet mit Fotos von Schauspieler*innen am Set von Kostümfilmen, während sie moderne Dinge tun, ist großartig und in den Antworten sind viele weitere tolle Bilder versteckt. Zum Abschluss habe ich hier noch einen guten Tweet über 3D-Drucker. (Gibt es schlechte Tweets über 3D-Drucker?)
Ich wünsche euch einen erholsamen Sonntag und einen angenehmen Juli! Ich danke allen, die sich in der letzten Woche bei mir mit Hinweisen oder einer freundlichen Nachricht gemeldet, den Newsletter gefavt oder geteilt haben.
Während der Sommerpause findet ihr mich in unregelmäßigen Abständen auf Twitter und auf Instagram.