Herzlich Willkommen zur 82. Ausgabe dieses Newsletters!
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Ich könnte diesen ganzen Newletter nur zum Thema “Elon Musk hat Twitter übernommen” machen, aber das würde vermutlich mich und euch sehr langweilen. Zumindest habe ich mir in Folge der Übernahme mittlerweile auch Mastodon eingerichtet, um zu beobachten, was dort für interessante Phänomene entstehen.
Auch wenn es vielleicht nicht allen so vorkommt, deutet die Stimmung in den Timelines (und auch einige Zahlen) daraufhin, dass wir uns in einer Art Endphase der großen Plattformen befinden.
1.
Ich habe ja versprochen keinen Elon Musk Newsletter zu machen, auch wenn es überraschend amüsant ist, einem Billionär bei der Kernschmelze zuzuschauen. Die Debbatte über die Idee, ob in Zukunft für das Twitter-Verifizierungssytem der Blauhaken bezahlt werden soll und die neuen Gedanken zu einer kompletten Kommodifizierung der Plattform sind aber einfach zu lustig und Quelle von zu vielen guten viralen Posts, als dass ich sie ignorieren könnte.
Der Vorschlag, dass in Zukunft Blauhaken-User*innen der Plattform für das angebliche Privileg der Verifizierung bezahlen sollten, wurde rasch nach der Übernahme geleaked und sorgt seitdem für ziemlich viel Spaß auf der Plattform. Der blaue Haken als Verifizierungstool sollte urusprünglich dazu dienen, dass Personen des öffentlichen Lebens (der Begriff ist extrem weit ausdehnbar) rasch zeigen können, dass der Account einer real existierenden Person gehört, sodass besonders im Falle von Hackings und Identitätsklau ein direkterer Hilfsweg bereitsteht. Der blaue Haken wurde jedoch rasch zu einer Art virtuellem Statussymbol und damit schon seit Jahren auch zur Quelle von Spott. Dieser Spott wurde natürlich nochmal befeuert, weil die Idee für die Verifizierung zu bezahlen eben genau auf die Statusfunktion des blauen Hakens anspielt.
Die Frage ist nun vor allem, wer noch auf der Plattform übrig bleiben wird, wenn die angedachten Änderungen umgesetzt sind. Mit dieser Frage befasst sich deswegen auch ein Meme, das ich in vielen Varianten in den letzten Tagen auf Twitter gesehen habe:
2.
Die Twitter-Übernahme hat für unglaubliche Resonanz auf der Plattform und in den etablierten Massenmedien gesorgt, die reihenweise auf einen tollen Hoax hereinfielen, bei dem zwei Männer (mit den Fake-Nachnamen “Ligma” und “Johnson” lol) sich mit Umzugskisten vor das Twitter-Hauptgebäude stellten und behaupteten herausgeworfen worden zu sein:
Aus dem Thema “Gekündigte Twitter-Angestellte” entstand direkt nach der Übernahme rasch ein Copy/Pasta-Meme, bei dem in zahlreichen Tweets Fake-Stellengesuche mit Verweisen auf die angebliche alte Funktion bei Twitter kombiniert wurden:
3.
Ich mag Memes, die gleichzeitig ein subtiles Medienkompetenztraining sind und ich mag es, wenn Memes nach einigen Jahren plötzlich wieder eine Renaissance erleben. Dementsprechend gut gefiel mir in den letzten Wochen die Rückkehr eines Memes, das die Behauptung, Wissenschaftler hätten das 3D-Modell einer berühmten historischen Figur erstellt, mit Bildern von Prominenten verknüpft. 2018 – vor also gefühlt einem halben Social Media Jahrhundert – gab es bereits die erste Runde dieses Memes:
Es ist vermutlich eine gute Social Media Erfolgsstrategie einfach erfolgreiche Muster aus der Vergangenheit zu recyclen, weil sicherlich mehr als die Hälfte der User*innen das alte Meme gar nicht mehr erinnert (die Social Media Gedächtnis-Halbwertzeit ist offziell 3 Tage und 13 Minuten). Alle anderen freuen sich, die Referenz zu verstehen, denn Ingroup und Outgroup-Markierung ist – wie in diesem Newsletter ja schon oft thematisiert – ein superzentrales Merkmal von Memes.
In eigener Sache:
Ich habe für den Merkur den Essay »„I Am a Coal-Truck“. Nature writing und digitale Literatur« geschrieben, in dem ich darüber nachdenke, was AI generierte Lyrik vom Nature Writing lernen kann. Im Text findet ihr: Einen Kohletruck, einen malaysischen Dichter von über tausend Gedichten und 500 namenlose Clickworker*innen.
Für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung habe ich über die digitale Animation von Wasser nachgedacht.
Ich finde es immer schön, wenn Naturvideos in den sozialen Medien riesige Mengen an Favs abgreifen. Auch wenn solche Clips oft schon jahrelang auf allen Plattformen recyclet wurden, ist es irgendwie beruhigend zu sehen, worüber sich viele Menschen freuen können. (Nebenbei ist es ein guter Elterntrick sich einige solche Videos zu speichern, damit man im Fall der Fälle eine Kindergruppe mit lustigen Ottern ablenken kann.)
Mit diesem Tweet wurde dazu aufgefordert als Abschiedsgeste an Twitter seine Lieblingstweets der letzten Jahre zu teilen und die drunterkommentierten Beispiel sind so typisch Twitter, erstaunlich, komisch und teilweise auch erschreckend, dass man sich ziemlich festlesen kann. Vielleicht klickt ihr also besser nicht auf den Link und geht lieber an die frische Luft.
Falls ihr doch lieber vor eurem Computer sitzen bleiben wollt, dann ist vielleicht dieses Spiel, bei dem man herausfinden kann wieviele “Europa-Punkte” man in seinem Leben gesammelt hat, etwas für euch. Oder ihr hört euch einfach eine unendlichen AI genrierte Diskussion zwischen Werner Herzog und Slavoj Žižek an.
Mit diesen sehr guten Bildern einer Gruppe als Hammerhaie verkleideter Studierender, wünsche ich euch einen wunderschönen Sonntag. Ihr findet ihr mich auf Twitter, Mastodon, Instagram oder TikTok, wo ich ganz sicher irgendwann mal mein großes MakeUp-Tutorial Programm “Lippenstift und Lyrik” starten werde.
Danke für den Lesestoff, der meinen Sonntag signifikant bereichert (hat).